Partner-Lymphozytenbehandlung

Vor mittlerweile fast 70 Jahren, als der erstaunliche Mechanismus des menschlichen Immunsystems zum ersten Mal beschrieben wurde, machte der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Biologe Sir Peter Medawar eine bedeutende Bemerkung.

Er erklärte, dass das Überleben des genetisch unterschiedlichen Kindes im Mutterleib den immunologischen Gesetzen widerspreche. Normalerweise erkennt das Immunsystem „fremdes“ Gewebe im Körper und baut sofort eine Abwehr dagegen auf (vor allem, was jetzt als „Killer-T-Zell“ -Mechanismus bezeichnet wird).

Frühe Experimente mit Organtransplantationen scheiterten – das Immunsystem des Empfängers griff das „fremde“ Organgewebe des Spenders an und stieß es ab.

Warum aber erkennt der Mutterleib dann nicht das Vorhandensein des „fremden“ Gewebes des sich entwickelnden Embryos und versucht es anzugreifen?

Wir wissen jetzt, dass es das tut! Und das ist die Ursache vieler Fehlgeburten und auch ausbleibender Schwangerschaften nach Transfer von Embryonen. Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass das sich entwickelnde Kind eine sehr spezifische Abwehr gegen den T-Zellen-Killerangriff bietet. Und solange der Abwehrmechanismus richtig funktioniert, läuft die Schwangerschaft bis zum Ende. Wenn jedoch der Abwehrmechanismus versagt, kommt es zu einer Fehlgeburt.

Etwa 1 – 3% aller Kinderwunschpaare sind von einem habituellen Abortgeschehen betroffen. Dies ist laut WHO definiert als das Auftreten von 3 oder mehr aufeinanderfolgenden Aborten bis zur 20. SSW. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, bleiben in einer Vielzahl der Fälle sogar unklar, so dass immunologische Faktoren diskutiert werden können, da der Embryo für das Immunsystem der Mutter ein semiallogenes Transplantat darstellt, da die Hälfte der Gene des Embryos väterlicher Herkunft sind. Anstelle einer üblichen Immunantwort induziert der Embryo einen sekundären Schutzmechanismus, welcher zur erfolgreichen Implantation beiträgt.

Die Immunisierung mit Partnerlymphozyten ist eine Behandlungsoption für ein wiederkehrendes Implantationsversagen oder eine wiederkehrende Fehlgeburt, wenn alle anderen möglichen Ursachen im Voraus ausgeschlossen worden sind. Bei der Immunisierung mit Partnerlymphozyten werden der Patientin aufbereitete Lymphozyten ihres Partners in die Haut des Unterarms intrakutan injiziert, um so eine Immunmodulation bzw. eine Konditionierung des maternalen (mütterlichen) Immunsystems in der Akzeptanz gegenüber den paternalen (väterlichen) Antigenen, die an den Embryo vererbt wurden zu induzieren.

Voraussetzung für dieses Verfahren ist, dass zuvor alle anderen infrage kommenden Sterilitätsursachen ausgeschlossen wurden. Die vollständige Wirkungsweise dieser Behandlung ist bis heute nicht geklärt.

Die Behandlungsform kennt man schon vergleichsweise recht lang. Zunächst wurden damit v.a. Patientinnen mit habituellen Aborten behandelt. Heute werden auch sehr viele Paare mit ungeklärter Sterilität und erfolglosen Bemühungen um das Erreichen einer Schwangerschaft behandelt.

Für die Behandlung gibt es kein standardisiertes Vorgehen. Bei uns erfolgt die Behandlung mit 2 Sitzungen im Abstand von 4 Wochen. Ca. 3 Wochen nach der zweiten Immunisierung erfolgt im Labor die sog. Erfolgskontrolle. Die Behandlung ist gut verträglich; an der „Impfstelle“ tritt eine lokal allergische Reaktion, vergleichbar mit einem heftigen Insektenstich auf. Dies klingt nach ca. 10 Tagen wieder ab. Allgemeinreaktionen sind nicht zu erwarten. Für die Behandlungsmethode gibt es allerdings Ausschlüsse, so dass sie nicht bei jedem Paar angewandt werden kann.

Die Erfolgsquote der Behandlung ist natürlich abhängig vom Lebensalter der Patientin, da Faktoren, wie die Genetik natürlich nicht mit dieser Behandlung beeinflusst werden können, d.h. dass auch nach der Behandlung möglicherweise die Schwangerschaft ausbleibt oder dennoch eine Fehlgeburt auftritt.

Insgesamt kann die Schwangerschaftsrate um bis zu 20% erhöht werden. Auch die Wahrscheinlichkeit, eine Schwangerschaft nach der Behandlung auszutragen steigt in Abhängigkeit von der Anzahl der vorangegangen Schwangerschaften um bis zu 30% an. In unserer Praxis besteht eine über 25-jährige Erfahrung mit dieser Behandlung. Nachdem bei insgesamt ca. 35% der Paare, die unsere Beratung und Behandlung aufgesucht haben, der Kinderwunsch teilweise mehrfach erfolgreich realisiert werden konnte, hat die Immuntherapie mit Partnerlymphozyten nach wie vor einen festen Stellenwert in der Behandlung der Infertilität. Der Erfolg ist v.a. in den ersten 6 Monaten nach der Immunisierungsbehandlung nachweisbar, danach verringert sich die Erfolgschance wieder. Auffrischungsbehandlungen sind allerdings möglich.

Aktive Immunisierung mit Partnerlymphozyten bei Kinderwunschpatientinnen– der aktuelle Stand“;
Veronika Günther, Ibrahim Alkatout, Wiebe Junkers, Nicolai Maass, Malte Ziemann, Siegfried Görg, Sören von Otte; Geburtsh Frauenheilk 2018; 78: 260–273 © Georg Thieme,Verlag KG Stuttgart · New York | ISSN 0016‑5751

Rate ausgetragener Schwangerschaften nach LIT in Abhängigkeit vom Alter
(Erhebung aus 2005 – eigenes Patientenklientel mit habituellen Aborten)
So ist bei Patientinnen mit habituellen Aborten die Rate ausgetragener Schwangerschaften bei 72%. Betrachtet man dies altersbezogen, ist in der Altersgruppe 25-29Jahre und 30-34Jahre die Erfolgsrate bei 82% bzw. 81%. Nach Auswertung der verschiedenen Untersuchungen und Studien kann aufgrund der äußerst heterogenen Datenlage ein signifikanter Nutzen durch die Immunisierung immer noch nicht eindeutig belegt werden. Es gibt jedoch Hinweise, dass die Therapie bei Verwendung möglichst frisch entnommener Lymphozyten wirksam sein könnte. Die Behandlung stellt insgesamt ein sicheres und risikoarmes Verfahren dar. Nach ausführlicher Aufklärung des Paares über die Erfolgsaussichten und genauer Überprüfung von Indikation und Kontraindikationen kann individuell mit dem Paar eine Immunisierung mit Partnerlymphozyten diskutiert werden – vorausgesetzt, zuvor wurden alle anderen infrage kommenden Sterilitätsursachen ausgeschlossen.